Das DMGA in Kassel

03.09.2012 / von Rainer Birkendorf

Die Musikgeschichtliche Kommission bereitet unter dem Titel „Deutsche Musik im europäischen Kontext 1806-1914“ ein neues langfristiges Editions-Vorhaben vor. Die VolkswagenStiftung und die Fritz Thyssen Stiftung unterstützen mit Fördergeldern in Höhe von ca. 600.000 € drei Pilotprojekte zur Vorbereitung des neuen Forschungsvorhabens. Ziel des Vorhabens ist eine ‚andere Vermessung‘ der Musik des 19. Jahrhunderts. Jenseits der traditionellen Komponisten-Gesamtausgaben sollen signifikante Werke in neuen kulturhistorischen Kontexten ediert werden. Die philologisch sorgfältig erstellten Editionen sollen in umfassende Dokumentationen eingebettet sein; gedruckte Notenbände werden von Materialien in einer online-Datenbank sowie von Musikbeispielen begleitet. Dieses online-Portal soll für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet sein. Die drei geförderten Pilotprojekte konzentrieren sich auf die Bereiche Oratorium, Kammermusik und Orchestermusik und sollen die Tragfähigkeit des Konzepts zeigen: „Großbesetzte deutschsprachige Chormusik im 19. Jahrhundert“ (Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg), „Brahms gewidmet“ (Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck) und „Die Konzertouvertüre im Zeitalter Mendelssohns“ (Musikwissenschaftliches Institut der Universität Marburg). Die verantwortlichen Projektleiter sind Prof. Dr. Wolfgang Horn (Regensburg), Prof. Dr. Wolfgang Sandberger (Lübeck) und Prof. Dr. Lothar Schmidt (Marburg). Das Pilotprojekt „Großbesetzte deutschsprachige Chormusik im 19. Jahrhundert“ greift exemplarisch das Werk „Frithjof“ op. 23 (1864) für Vokalsoli, Männerchor und Orchester von Max Bruch (1838-1920) heraus, das aufgrund von existierendem Skizzenmaterial philologisch besonders interessant ist. Oratorische Musik partizipiert durch ihre Texte wie durch die beteiligten Institutionen – Chöre, Verlage, Musikfeste, Presse – direkt an der Bildungs- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts. „Frithjof“ wird in Bruchs Oratorienschaffen eingebunden; weitergefasster Kontext ist das oratorische Komponieren im 19. Jahrhundert insgesamt.

Das Projekt „Brahms gewidmet“ konzentriert sich auf vier der etwa 100 gedruckten Werke, die Johannes Brahms zu Lebzeiten zugeeignet wurden. Brahms galt seinen Zeitgenossen als zentrale Figur der kammermusikalischen Tradition, im Parteienstreit um die Zukunftsmusik wurde er als Identifikationsfigur verstanden – als „kammermusikalisches Bollwerk“ gegen die symphonische Dichtung von Liszt und das monumentale Musikdrama Wagners. Somit sind die vier im Projekt stehenden Kammermusik-Werke von Robert Fuchs, Hermann Götz, Bernhard Scholz und Josef Suk auch als komplexe Positionsbestimmungen zu verstehen: zum Widmungsträger Brahms und zum historischen Horizont, in dem sich die Werke entfalten.

Das dritte Pilotprojekt „Die Konzertouvertüre im Zeitalter Mendelssohns“ untersucht die Genese eines innovativen, aber bei näherem Hinsehen als Gattung im traditionellen Sinn schwer zu fassenden Genres der Orchestermusik, das sowohl für die Sinfonik um die Mitte des 19. Jahrhunderts wie auch für die Programmusik in der zweiten Jahrhunderthälfte von größter Bedeutung wurde. Dabei stehen vor allem Fragen nach dem institutionengeschichtlichen Kontext (wie der Funktion der Ouvertüre im Rahmen der Gestaltung von Konzertprogrammen und Transferprozessen aus Oper und Schauspielmusik) und solche nach der Kanonbildung im Zentrum. Die 1953 gegründete Musikgeschichtliche Kommission geht auf die gleichnamige im Wilhelminischen Kaiserreich gegründete Organisation zurück, die zunächst die „Denkmäler deutscher Tonkunst“ und dann das Projekt „Erbe deutscher Musik“ veröffentlichte. Jetzt will sich die Kommission mit dem geplanten Vorhaben „Deutsche Musik im europäischen Kontext 1806 – 1914“ neu aufstellen.

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